Johann Sebastian Bach (1685 – 1750): Toccata und Fuge in D-Moll BWV 565*

Toccata und Fuge in D-Moll, BWV 565, ist ein frühes Meisterwerk von Johann Sebastian Bach und wurde wahrscheinlich zwischen 1703 und 1707 komponiert. Das Werk wird vom Organisten Hans-André Stamm auf der Trost-Orgel der Stadtkirche Waltershausen / Thüringen gespielt.
Die Trost-Orgel der Stadtkirche Waltershausen – gebaut von Hoforgelbauer Heinrich Gottfried Trost von 1724 bis 1730 – ist die größte Thüringer Orgel der „Bachzeit“. Von einer direkten Beziehung Johann Sebastian Bachs zur Trost-Orgel wird an verschiedenen Stellen berichtet. 

*BWV: Bach-Werke-Verzeichnis, BWV 525 – 771 enthält Bachs Orgelwerke. Eine Toccata ist ein Art Vorspiel. Die Fuge, entstanden um 1600 – 1750, ist eine Musikform in der jede Stimme – bis zu vier – unabhängig voneinander ist und somit zur gleichen Zeit verschiedene Rhythmen und Töne erklingen können.

Toccata und Fuge in D-Moll, BWV 565, Audio-Version, 8' 32"

von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) | Hans-André Stamm, Trost-Orgel, Stadtkirche Waltershausen / Thüringen

Toccata und Fuge in D-Moll, BWV 565, Audio-Version, nur erster Teil, 3' 22"

von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) | Gert van Hoef in der St. Stephanus Kirche, Hasselt, auf der Rudolf Knol Orgel

Unglaublich:
Gert van Hoef spielt 2013 im Alter von 19 Jahren in der St. Stephanus Kirche, Hasselt, auf der Rudolf Knol Orgel meisterlich Bachs Toccata und Fuge in D-Moll!
Website: >>> gertvanhoef.nl/

Die Orgel, Königin der Instrumente

Die ab dem Mittelalter in der kirchlichen Liturgie Westeuropas bedeutsame Pfeifenorgel blickt auf eine lange Geschichte sowie eine lebendige Orgelbautradition zurück. Seit 2017 zählen Orgelbau und Orgelmusik zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Keine Orgel gleicht der anderen. Jede der majestätischen und hochkomplexen Pfeifenkonstruktionen ist einzigartig und wird für den Raum konzipiert, den sie später mit ihrer alle Sinne berührenden Musik erfüllt. Ihr Frequenzspektrum ist riesig – es reicht von ganz tiefen, für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbaren Schwingungen bis zu den höchsten hörbaren Tönen. Die Orgel hält viele Klangfarben bereit und kann sowohl zarte Pianissimo-Töne als auch dröhnendes Fortissimo anstimmen.
Schon Mozart schwärmte 1777 in einem Brief an seinen Vater: »Die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumente.« Zu seiner Zeit hatte der Orgelbau bereits eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen; in verschiedenen Regionen Deutschlands und Österreichs wie auch den benachbarten Ländern hatten sich besondere Orgeltypen herausgebildet.

Aufbau einer Orgel

Das Tasteninstrument zählt zu den Aerofonen (Lufttönern). Der Klang wird durch Eintonpfeifen erzeugt, die durch einen gesteuerten Luftstrom, den »Wind«, zum Klingen gebracht und durch Klaviaturen Manuale und Pedale – eingeschaltet werden. Dies ist der Spieltisch. Im Korpus großer Orgeln verbergen sich Tausende von Pfeifen, auch wenn die Außenansicht nur wenige Pfeifenreihen zeigt. Eine. Reihe von Pfeifen gleicher Klangfarbe wird Register genannt. Heute verwendet man für die Luftzufuhr ein motorbetriebenes Gebläse. Ohne diese Unterstützung erforderte das Orgelspiel früher je nach Größe bis zu zehn sogenannte Kalkanten – Bälgetreter, die die Luftversorgung mit Händen, Füßen und ihrem ganzen Körpergewicht sicherstellten. Oft übernahmen Schuljungen diese Aufgabe, bei Hofe gab es fest angestellte Hofkalkanten, die auch für allfällige Wartungsarbeiten an der Orgel verantwortlich waren.
Schon im ptolemäischen Ägypten des vorchristlichen 3. Jahrhunderts war eine einfache Pfeifenorgel bekannt. Über Byzanz kam sie um 800 ins Frankenreich. Eine bedeutende Innovation, die zur Orgel in ihrer heutigen Form führte, war im späten Mittelalter die Herausbildung vokaler Mehrstimmigkeit, ausgehend vom einstimmigen gregorianischen Choral, der Liturgie der römisch-katholischen Kirche. Die Orgel, einst Instrument der Paläste, die zwei und mehr Stimmen gleichzeitig erklingen lassen kann, war seitdem fester Bestandteil kirchlicher Musik.

Langlebigkeit und Vielfalt

Die ältesten spielbaren Orgeln der Welt sind rund 600 Jahre alt und zumindest in Teilen original erhalten, darunter drei Orgeln aus Deutschland (Ostönnen – Ortsteil der Stadt Soest, Rysum – Ostfriesland / Gemeinde Krummhörn, Kiedrich – Rheingau / ca. zwei Kilometer nördlich von Eltville). Frühe Orgeln hatten keine frei zuschaltbaren Register und erst in der Renaissance waren sie voll ausgebaut mit mehreren Manualen und Pedalen. Eine Blütezeit erreichte der Orgelbau im Barock. Man unterscheidet heute ganze Orgellandschaften, die oft durch das Wirken einzelner Orgelbauer charakterisiert sind. Dazu zählen etwa Arp Schnitger (1648-1719) im norddeutschen Raum oder Gottfried Silbermann (1683-1753) in Sachsen. Orgeln weisen große regionale Unterschiede auf, sowohl in der Konstruktion als auch der Akustik. In den Klangfarben schlugen sich auch die dialektal geprägten Vokale nieder – mehr »oah«, »aa« oder »eeh«, je nachdem, welche Mundart ein Orgelbauer im Ohr hatte. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind deutsche Orgellandschaften so facettenreich. Rund 50.000 Orgeln sind in Deutschland im Einsatz. Auch heute sind Orgelbau und -musik eine Tradition, die mit 400 Betrieben, 2.800 Mitarbeitern, 180 Lehrlingen, 3.500 hauptamtlichen Organisten sowie Zehntausenden ehrenamtlichen Kirchenmusikern ungeheuer lebendig ist. 
Quelle: Deutsche Post AG, Philatelie Journal postfrisch – 1 / 2023